Den härtesten "Zweikampf" der vergangenen Saison musste Serdar Tasci wohl abseits des Fußball-Rasens bestreiten.
Anfang dieses Jahres eröffnete der angehende Abiturient seiner Mutter, die Reifeprüfung doch nicht ablegen zu wollen. Trotz diverser Nachhilfestunden und konsequenter Unterstützung durch den Verein kapitulierte der damals 19-jährige Verteidiger des VfB Stuttgart vor der "Doppelbelastung" Profi-Fußball und Schule. "Ich konnte beides nur noch halbherzig machen, da habe ich mich für den Fußball entschieden", sagt Tasci.
Überredungskünste
Die meisten Leute im Umfeld Tascis hatten Verständnis für die Entscheidung des Sohnes türkischer Eltern. "Es war nicht mehr anders möglich. Serdar hat wirklich alles versucht, mit Nachhilfe und Lerneinheiten zu allen möglichen und unmöglichen Tageszeiten", resignierte selbst VfB-Sportdirektor Horst Heldt.
Nur Tascis Mutter wollte sich nicht damit abfinden, dass ihr Sohn den sicheren Schulabschluss zugunsten einer ungewissen Karriere als Profi-Fußballer opfert. "Meine Mutter wollte am meisten, dass ich weitermache. Aber die konnte ich auch noch überreden", berichtet Tasci.
Lob vom Trainer
Knapp ein halbes Jahr später scheint festzustehen, das Tascis Entscheidung für ihn persönlich genau die richtige war: Tasci unterschrieb in der Zwischenzeit einen Profi-Vertrag bis 2010, er kann sich mit 26 Bundesliga-Einsätzen als Stammspieler bezeichnen, er ist Deutscher Meister und DFB-Pokal-Finalist, und er ist zudem noch angehender Nationalspieler und in der Gunst seines Trainers ganz weit oben stehend.
"Serdar bringt alles mit, was ein moderner Verteidiger braucht", schwärmt VfB-Trainer Armin Veh. "Er ist schnell, bissig, aber auch technisch sehr stark." Das Lob gibt der mittlerweile 20-Jährige sofort zurück. "In der vergangenen Saison habe ich eine tolle Entwicklung durchgemacht. Das habe ich nur dem Trainer zu verdanken", entgegnet Tasci im Gespräch mit bundesliga.de.
Bei Löw "auf dem Zettel"
Trainer Veh sieht in Tasci gar "den nächsten Nationalspieler des VfB". Und Bundestrainer Joachim Löw ließ durchblicken, Tasci ebenso wie dessen Teamkollegen Sami Khedira "auf dem Zettel" zu haben.
Der Hochgelobte kann seinen steilen Aufstieg selbst noch kaum fassen, schließlich absolvierte er sein erstes Bundesliga-Spiel erst am 2. Spieltag der Saison 2006/2007. "Vor der Saison hätte ich mich schon gefreut, wenn ich in ein oder zwei Spielen hätte zum Einsatz kommen sollen. Jetzt sind es 26 Spiele - unglaublich."
Kein Platz für Tasci
Doch im Grunde ist für Tasci gar kein Platz in Stuttgarts Meistermannschaft. Die Innenverteidigerpositionen sind fest an Kapitän Fernando Meira und Mathieu Delpierre vergeben, rechts hat der Mexikaner Ricardo Osorio seinen Platz.
Doch wenn der Mexikaner mal schwächelte oder einer der beiden Innenverteidiger verletzt oder gesperrt war, dann war Tasci zur Stelle. Von 2.340 Spielminuten war der gebürtige Esslinger 2.005 Minuten im Einsatz und gewann in dieser Zeit 70,7 Prozent seiner Zweikämpfe - ein überdurchschnittlich guter Wert.
Lehrgeld bezahlt
Neben zwei erzielten Toren liegt seine Erfolgsquote bei Pässen bei 86 Prozent, zudem zählt die Statistik nur 24 Fouls und drei Gelbe Karten. Einmal jedoch musste auch Tasci in dieser so erfolgreichen Saison Lehrgeld bezahlen. Beim 1:4 zum Rückrundenauftakt beim 1. FC Nürnberg sah der 20-Jährige wegen rohen Spiels die Rote Karte.
In der Gunst seines Trainers fiel Tasci deswegen jedoch nicht zurück. Im Gegenteil. Am liebsten würde Veh seinen Schützling immer spielen lassen. "Der Junge ist einfach schon so gut, der wird bei mir immer seine Einsatzzeiten bekommen", sagt Veh.
Und das Abitur? "Das kann ich immer mal nachholen, wenn ich mich schwer verletzen sollte", sagt Tasci. Der Frieden im Hause Tasci wäre dann endgültig wieder hergestellt.
Gregory Straub